Verden im Kaiserreich
02/Februar
Verden verehrt – ein Jahr, drei Kaiser
Am 21. Juni 1888 hängte Stadtschreiber Mahlstedt eine offizielle Verkündigung von Kaiser Wilhelm II. am Rathaus aus. Knapp einen Monat lang – bis zum 07. Juli 1888 – hatten die Einwohner*innen Verdens nun die Gelegenheit, sich über ein wichtiges Ereignis zu informieren und dieses zur Kenntnis zu nehmen. Dabei handelte es sich um ein Geschehen, das sowohl die Dynastie der Hohenzollern als auch die Reichspolitik betraf.
Nachdem die Gruft über der sterblichen Hülle Meines unvergeßlichen Herrn Großvaters sich kaum geschlossen hat, ist auch Meines heißgeliebten Herrn Vaters Majestät aus dieser Zeitlichkeit zum ewigen Frieden abgerufen worden.
Kaiser Wilhelm I. (reg. 1871-88) war im März, sein Sohn Kaiser Friedrich III. (reg. 1888) im Juni 1888 verstorben. Zwei Trauerfälle in der Herrscherfamilie und das in kürzester Zeit – eine schockierende Nachricht und ein seltenes Schicksal!
Mit der Ernennung und Krönung von Wilhelm II. (reg. 1888-1918), dem ältesten Sohn von Kaiser Friedrich III., standen also innerhalb von wenig mehr als 100 Tagen drei Kaiser an der Spitze des Reiches. Eine konstante Figur, die der Bevölkerung politische Verlässlichkeit suggerierte, war der Kaiser in diesem denkwürdigen Jahr nicht.
Umso wichtiger war es für Kaiser Wilhelm II., den Beginn seiner Regentschaft flächendeckend im gesamten Reichsgebiet über den Aushang bekannt zu machen.
Diesem Bewusstsein der Gegenseitigkeit der Liebe, welche Mich mit Meinem Volke verbindet, entnehme ich die Zuversicht, daß Gott Mir Kraft und Weisheit verleihen werde, Meines Königlichen Amtes zum Heile des Vaterlandes zu walten.
Der dritte Kaiser des Jahres 1888 versprach zum Wohle seines Volkes und damit auch zum Wohle der Einwohner*innen Verdens zu wirken. Im Gegenzug verlangte er dafür nichts weiter als ihren Gehorsam - die gegenseitige Liebe.
Insgesamt dokumentiert der Aushang, der im Sommer 1888 am Verdener Rathaus hing, nicht nur das „Dreikaiserjahr“, sondern er vermittelt über das darin enthaltene kaiserliche Treueversprechen auch ein Element einer zeitgenössischen Huldigung vom Ende des 19. Jahrhunderts.
[WH]
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01/Januar
Verden feiert – Frieden und Reichsgründung
Zwei gedruckte Flugblätter aus dem Winter 1871 bereiteten die Einwohner*innen von Verden auf ein wichtiges, gesellschaftliches Ereignis vor – die Friedensfeier mit stadtweitem Festumzug!
Die Veranstaltung feierte dabei nicht nur den Frieden nach Ende des deutsch-französischen Krieges vom 28. Januar 1871 sowie die schon zehn Tage zuvor im Schloss von Versailles stattgefundene Reichsproklamation, sondern vor allem die „neue Zeit“, in der die Stadt nun Teil eines vereinten deutschen Nationalstaates war. Die in den Flugblättern geforderte Beteiligung aller Verdener Bürger*innen an Feier und Festumzug, sollte zudem ein neues Gemeinschaftsgefühl stärken – als „Untertanen des Kaisers“.
Federführend bei der Organisation und Durchführung der reichsweiten Friedensfeiern waren sog. Comités, die in den Städten meist aus Mitgliedern der Bürgerschaft bzw. des Magistrats und des Handwerks bestanden. Für Verden übernahmen die Herren Dr. Meyer, Stendel, Dreyer, Dellmer und Meyer diese Aufgabe. Gemeinsam mit Vertretern verschiedener städtischer Vereine und Institutionen traf sich das Festtags-Comité Ende Februar 1871 zu abschließenden Beratungen und letzten Vorbereitungen im Bruer`schen Gasthaus. Anfang März konnte dann das Programm für die Friedens-Feier an alle Haushalte in Verden verteilt werden, die dann am 4. März 1871 stattfand.
Die Feier teilte sich räumlich und zeitlich in zwei Abschnitte. Vormittags wurde im Verdener Dom ein Festgottesdienst vom Superintendenten Mestwerdt gehalten. Dieser religiöse Teil der Friedensfeier sollte Dank und Demut gegenüber dem gewonnenen Krieg ausdrücken. Letzteres wurde durch die Sammlung für Kriegsversehrte, die für den Frieden und das neue Kaiserreich die meisten Opfer gebracht hatten, unterstrichen. Ab 14 Uhr folgte dann der weltliche Teil der Feier mit dem Festumzug, der einmal durch die Stadt an der sog. Sommerbahn der Kaserne endete.
Den Abschluss des Festes markierten verschiedene Illuminationen – eine frühe Form heutigen Feuerwerks.
Obwohl der Tag der Friedensfeier für alle Einwohner*innen Verdens bereits um 6 Uhr morgens mit einem einstündigen Glockengeläut aller Kirchen begonnen hatte, wird er sicherlich noch weit nach den Illuminationen erst spät in den städtischen Gasthäusern ein Ende gefunden haben. Schließlich feierte man die Neugründung des deutschen Kaiserreichs als Nationalstaat – von dem man fortan ein Teil war!
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